Immer ist das Innere aufmerksamer und verlässlicher Spiegel der Außenwelt. Im Inneren wird bilanziert, die Eindrücke gesammelt, nach Qualitäten geordnet und sorgfältig registriert. Da ist die grün markierte Rubrik „Anerkennung“ und gleich daneben ein weiterer grüner Bereich mit den Rubriken „Zufriedenheit“ und „Zuversicht“. Hier finden sich die Eintragungen, die für Stabilität und Lebensmotivation Sorge tragen. In den rot markierten Rubriken werden Eindrücke notiert und gesammelt, die den energetischen Haushalt belasten und im Wesentlichen Unverarbeitetes beinhalten. Es sind die Rubriken, die mit „Konflikt“ und „Verletzung“ überschrieben sind. In allen Rubriken werden die Eindrücke in Form von Energieeinheiten gespeichert. Zwar kann ein Austausch zwischen den einzelnen Rubriken erfolgen und damit ein Teil der negativen Energien harmonisiert werden. Entscheidend aber ist die Erfahrung, dass keine Energieeinheit verloren geht und auch, dass nur, wenn in der Gesamtbilanz die grünen Bereiche überwiegen, eine positive und bejahende Lebensentwicklung möglich ist.

Unabhängig davon ob es um das Zusammenleben von zwei Menschen geht oder um die Beziehung von zwei Staaten, immer wird die Bilanz der positiven und negativen Energie-einheiten für die Stabilität der Beziehung und die gemeinsame Entwicklung verantwortlich sein. Die Tragfähigkeit einer Beziehung hängt wesentlich vom Potential der im grünen Bereich gespeicherten Energien ab. Es ist das Vertrauen, das durch energetische Rücklagen in den positiven Rubriken die Stabilität begründet. Reduzieren sich die positiven Eindrücke unter gleichzeitiger Zunahme negativer Energien, dann beginnt eine Spirale, die mit Misstrauen beginnt und, im Extremfall, mit Hass endet. Doch auch der Hass hat das Potential der weiteren Steigerung, wenn sich in den roten Rubriken Energien immer weiter ansammeln, ohne dass eine Entlastung greifbar wird. Es beginnt sich die rot markierte Rubrik „Verzweiflung“ zu füllen, ohne dass die Möglichkeit einer Harmonisierung in Sicht kommt.

Die innere Bilanz des energetischen Haushaltes bestimmt in gespiegelter Übereinstimmung das Verhalten nach draußen. Misstrauen bewirkt Distanz und Zurückhaltung; Der Hass setzt eine Spirale der Aggression in Gang. Die Aggression will das zerstören, was im Inneren schon zerstört ist. Der Schaden, der dem anderen zugefügt werden soll, bemisst sich an dem Grad der Verletzung, den man selbst erfahren hat oder glaubt erfahren zu haben. Die Frage ist, inwieweit eine Beziehung in der Phase von Hass und Aggression zum Vertrauen zurück- finden kann, wenn also die grünen Bereiche leer und das Potential der negativen Energien überschäumend gefüllt sind. Das Ziel muss darin bestehen, dass die grünen Rubriken wieder ihren Einfluss auf die Gesamtbilanz erhalten, dass sie sich langsam wieder füllen. Es leuchtet ein, dass dies nicht in einem einzigen Akt geschehen kann, dass vielmehr Geduld und ein großer Wille vonnöten sind, um dem herrschenden Misstrauen mit glaubwürdigem und belastbarem Verhalten vertrauensbildend zu begegnen.

Es wird ein Prozess sein mit vielen Rückschlägen und manchen Enttäuschungen; alles wird abhängen vom Willen und der Bereitschaft, evtl. Nachteile, und seien sie noch so gravierend, in Kauf zu nehmen. Nur in geduldigen, kleinen Schritten kann es gelingen, das negative Energiepotential abzubauen und die Ernsthaftigkeit der Bemühungen in der Wiederbelebung tragfähiger Bindungselemente glaubhaft zu vermitteln. Der lange Weg zur Vertrauensbildung kann nur gelingen, wenn man sein Handeln konsequent auf das in der Zukunft liegende Ziel der Verständigung ausrichtet und sich nicht hinreißen lässt, zu glauben, auf die vermeint-lichen Zwänge des Augenblicks reagieren zu müssen. Der Augenblick darf nicht zerstören, was aus Gründen der Vernunft in der langfristigen Zielsetzung als notwendig bzw. als geboten betrachtet wird.

Was heißt das konkret für die Situation im Nahen Osten und insbesondere für das Verhältnis Israels zu den Palästinensern. Nach dem ursprünglichen Beschluss der Vollversammlung der Vereinten Nationen war neben einem jüdischen Staat auch Palästina als eigenständiger Staat vorgesehen. Am 14. Mai 1948 verkündete David Ben-Gurion die Gründung des jüdischen Staates. Zur Bildung eines Staates Palästina kam es jedoch nicht. Die arabischen Staaten vereitelten dies, weil sie es bevorzugten, alles zu versuchen, das Neuland „Israel“ auszulöschen, statt mit der Gründung Palästinas den eben entstandenen Staat Israel zu sanktionieren. Die Versuche, die Existenz Israels zu hintertreiben führten immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die jeweils mit einer Niederlage der arabischen Seite endeten.

Die Versuche, Israel zu vernichten führten groteskerweise in regelmäßiger Abfolge zu seiner Erstarkung. Bei jeder Gelegenheit demonstrierte Israel seine Überlegenheit, was wiederum das Entstehen eines militanten Gegengewichtes unter der Führung des Irans forcierte und die Beibehaltung der religiös verbrämten Ideologie befeuerte, die sich weiterhin die Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt hat. Kein Zweifel, dass die Palästinenser in dieser völlig verfahrenen Situation zum Verlierer wurden. Es ist gleichsam ein gordischer Knoten entstanden: Israel lebte in einem Gefühl ständiger Bedrohung, die Palästinenser in einem Gefühl ständiger Herabsetzung und Erniedrigung angesichts der unangefochtenen Stärke Israels. Schließlich mussten die Palästinenser das Gefühl haben, nirgends gelitten zu sein. Nach wiederholter Vertreibung wurden sie schließlich in Jordanien und im Westjordanland sesshaft. Der Schwache, um sein Gesicht zu wahren und aus der Verzweiflung heraus, Opfer der völligen Wahrnehmungs- und Rechtlosigkeit zu werden, ist immer wieder versucht, den Stärkeren herauszufordern, ihn zu attackieren und ihn zu verletzen. Die rigide Gegenwehr des Starken bewirkt jedoch nichts anderes, als die Aussichtslosigkeit des Schwachen weiter zu verstärken.

So stehen sie sich gegenüber, Israel und die Palästinenser, beide mit völlig entleerten grünen Rubriken, mit angehäuften negativen Energien, misstrauisch, feindselig, abwartend. Innerhalb der beiden Lager ist die Stimmungslage keineswegs einheitlich. Viele Israeli sind davon überzeugt, dass, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen, ein Gesinnungswandel nötig ist, der Vertrauen und damit die Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz schafft. Nicht wenige aber, vor allem aus den Reihen der Konservativen und Orthodoxen vertreten eine unversöhnliche Politik, eine Politik der Abgrenzung und der strikten Trennung Das 2018 verabschiedete Nationalstaatsgesetz war geeignet, die antipalästinensische Stimmung unter der israelischen Bevölkerung zu schüren und andererseits die Palästinenser zu demütigen. Hebräisch wurde als Amtssprache festgelegt, das ungeteilte Jerusalem wurde zur Hauptstadt erklärt, der jüdische Siedlungsbau wird unterstützt und zum nationalen Interesse erklärt. Gemäß dieser rechtlichen Vorgabe wurde die Siedlungspolitik rigoros vorangetrieben.

Die Interessen der Palästinenser werden seit 1964 von der Palästinensischen Befreiungs-organisation (PLO) wahrgenommen. Unter der Führung von Jassir Arafat radikalisierte sich dessen Politik in Anspruch und Methode mit der Folge zahlreicher terroristischer Anschläge. Mahmud Abbas erreichte für die PLO 1974 die Anerkennung durch die Vereinten Nationen als einzige, rechtmäßige Vertretung des palästinensischen Volkes. 1973 gründete Scheich Ahmad Yasin, in Gaza-Stadt ein islamisches Zentrum zur Unterstützung sozialer und bildungsfördernder Aufgaben und wurde dabei von Israel tatkräftig unterstützt. Das war der Anfang von Hamas. Israel verfolgte dabei das Ziel, die PLO zu schwächen. Mit der ersten Intifada im Jahr 1987 wurde aus dem islamischen Zentrum mit einem radikalen Gesinnungswandel die Hamas mit dem klaren Ansinnen, militärisch aufzurüsten und gegen Israel vorzugehen. Dabei schonte sie die eigene Bevölkerung nicht, im Gegenteil, mit Schutzzöllen und anderen disziplinarischen Maßnahmen drangsalieren sie die Menschen; jedes Mittel ist ihnen recht, um Geld für Waffen einzutreiben. Das palästinensische Volk aber lebt geduldig und ergeben im Schatten der vielen heißblütigen Provokateure.

Und dann der 7.Oktober! In den Morgenstunden bricht die Erde auf und eine Hölle mit dem Schrecken dunkler Mächte greift um sich, tötet, verschlingt, misshandelt, demütigt, mordet; eine ekelhafte Fratze ergötzt sich am Leid purer Unschuld. Es geschieht das Unsagbare, das einen verstummen lässt. Der Blick in diese grauenvolle Fratze zeigt, was Hass bewirken, welch mörderischen Energien er freisetzen kann. Das äußere Bild zeigt aber auch, was im Inneren verletzt wurde und was aus Verletzungen entstehen kann. Die Brutalität zeigt die Innenansicht dieser von Hass übermannten Menschen. Dabei geht es nicht um den Versuch, zu vergleichen, sondern allein um den Versuch, zu verstehen.

Inzwischen hat Israel begonnen, auf diese Terroraktion der Hamas zu reagieren: weit und breit nur noch Ruinen im hermetisch abgeriegelten Gazastreifen. Viele Tote und Verletzte, kaum noch funktionsfähige Krankenhäuser; alles, was einmal Funktion war, ist dem Leben entfremdet. Rastlos irren die Menschen hin und her auf der Suche nach Schutz und nach ein wenig Sicherheit, auf der Suche nach etwas Essbarem, auf der Suche nach medizinischer Hilfe, denn Krankheiten breiten sich aus und verstärken die Aussichtslosigkeit in dieser trostlosen Trümmerwelt. Es war zu erwarten, dass die israelische Regierung hart und konsequent reagieren würde. Doch die von Netanjahu vorgetragenen Rechtfertigungen stimmen nachdenklich. Zwar zweifelt niemand daran, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, doch das Argument, dass es jetzt an der Zeit sei, die Hamas endgültig zu zerschlagen, sie auszulöschen, lässt vermuten, dass er eher aus einer augenblicklichen Verbitterung oder anderen subjektiven Motiven heraus handelt, als aus vernunftgesteuerten Überlegungen, die langfristig die Chance einer friedlichen Lösung beinhalten. Hierzu allerdings wäre nötig, sich vorbehaltlos der Entstehungsgeschichte zu stellen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auf die Äußerung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen António Guterres, die Situation in Israel sei nicht im luftleeren Raum entstanden reagierte Netanjahu, indem er Guterres zur unerwünschten Person erklärte.

Handeln aus sich selbst heraus kann nur der wirklich Starke, derjenige, der sich in seiner Entscheidung unabhängig machen kann von äußeren Bedingungen und von augenblicklichen Emotionen. Der Starke macht sich ein Bild und handelt nach eigenem Urteil, rational und vernunftbetont. Dem Schwachen ist sein Zustand das Bild, auf das er reagieren muss. In der derzeitigen Konstellation ist viel hassgetriebene Reaktion, wenig Vernunft und Weitblicken des Handelns. In Deutschland wurde die Haltung zu Israel zur Staatsräson erklärt. Das damit zum Ausdruck kommende Anliegen ist vor dem Hintergrund der Geschichte nachvollziehbar, doch ist dieser Begriff realitätsfremd, denn eine Freundschaft kann nicht festgeschrieben, nicht verordnet werden. Dieser Begriff kann auch als Denkverbot missverstanden werden, als ob über das Problem der deutschen Geschichte nicht nachgedacht werden dürfte. So stellen sich Fragen wie diese, was Freundschaft überhaupt ist und ob es möglich ist, sie zu verordnen. Solche Fragen können nicht verboten sein. Ist es nicht geradezu der Inbegriff von Freundschaft, den Freund auf einen Irrweg, einen Weg in ein drohendes Unglück hinzu-weisen? Auf einem solchen Weg befindet sich die derzeitige Regierung Israels denn aus den Trümmern im Gazastreifen und im Libanon steigt neuer Hass auf und das endlose Leid sowie die zahllosen Tränen werden alles andere als ihn zähmen können. Gerade die deutsche Geschichte beinhaltet die Pflicht, dem befreundeten Israel auch in dieser Weise zur Seite zu stehen. Israel hat nicht nur das Recht, sich zu verteidigen, sondern ganz entschieden auch die Pflicht, so zu handeln, dass die Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz beider Völker entstehen und umgesetzt werden können. Wer leichtfertig das Recht zur Rechtfertigung seiner Untaten beansprucht, der verdrängt die Pflicht, die ihm das Leben zur Aufgabe werden lässt. Der Starke trägt immer mehr Verantwortung als der Schwache! Wir alle sind Menschen! Und gerade deswegen muss es um die Perspektive „Frieden“ gehen. Der Hass muss durch klares und vernünftiges Handeln so weit heruntergekühlt werden, dass das auf den gemeinsamen Ursprung hindeutende „Du“ in der Erfahrung gelebter und erlebter Solidarität zu einer gemeinsamen, vertrauensvollen Basis werden kann. Jeder, auf seine Weise, sollte seinen Beitrag zu dieser Klarheit des Denkens und Handelns beitragen: die unmittelbaren Akteure und nicht weniger Deutschland, Europa, die USA und die UN.

Mit dieser Klarheit des Denkens und Handelns wird sich auch die Pauschale der öffentlichen Erregung und Betroffenheit besser einordnen lassen.